Die Geschichte des Champagner

Die Römer bauten als Erste Weinreben in der Champagne an. Der Wein, den sie daraus herstellten, war still. Aufgrund seiner Nähe zu Paris und der Aktivitäten der Klöster in Reims und Châlons-en-Champagne blieb der Weinbau erhalten, ohne wirklich große Popularität zu erreichen.

1114 stellte der Bischof von Châlons-en-Champagne dem Abt des Benediktinerklosters Saint-Pierre-aux-Monts in Châlons eine Eigentumsurkunde über den gesamten klösterlichen Grundbesitz aus („grande charte champenoise”), wozu auch Rebland des heutigen Anbaugebiets gehörte, u. a. Hautvillers, Cumières, Aÿ und Oger.

 

Diese Urkunde gilt als Gründungsakte des Weinbaugebietes Champagne.

Während der Herrschaft Heinrichs IV. setzte sich in der Hauptstadt Paris der Name Vin de Champagne durch, nachdem er vorher in der anonymen Masse der Weine aus der Region rund um Paris untergegangen war. Die Bezeichnung wurde im Herkunftsgebiet anfangs nicht gern gesehen, da der Begriff Champagne (von lateinisch campania = Feld, offene Landschaft) einen unfruchtbaren Boden bezeichnet, der nur noch als Weidegrund für Schafe dient. Ungeachtet dessen gewann der Wein in der Folgezeit immer mehr Freunde an den königlichen Höfen Frankreichs und Englands.
Erst 1670 wurden die Weichen für den jetzt bekannten Champagner gestellt: Aus dem ursprünglich stillen Weißwein wurde ein Schaumwein. Im 17. Jahrhundert hatte man begonnen, den Wein schon im Anbaugebiet in Flaschen zu füllen, um seine Frische zu erhalten, da der Wein den Transport im Fass nicht gut überstand. Aufgrund des frühen Abfüllens gärte der Wein unbeabsichtigt in den Flaschen weiter. Hätten die Engländer diesen sprudelnden Wein nicht sehr gemocht, wäre die Flaschenabfüllung vermutlich wieder abgeschafft worden. Die Winzer jedenfalls waren von den herausspringenden Korken nicht begeistert, weil dies nennenswerte Verluste verursachte. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein waren Einkellerung und Vertrieb von Champagner gefahren- und verlustträchtig. Infolge unterschiedlicher Glasqualitäten und je nach Mischung unterschiedlich ablaufender Gärungsprozesse in den Flaschen explodierte ein Teil schon im Keller oder während des Transportes durch den Kohlensäureüberdruck. Die Kellermeister trugen zur Arbeitssicherheit Eisenmasken, welche sie wie mittelalterliche Folterschergen aussehen ließen. Daher war die Bezeichnung Wein des Teufels naheliegend.

 

Erst die Entwicklung der kontrollierten Flaschengärung machte es möglich, diesen Prozess zu beherrschen. Bereits am 17. Dezember 1662 beschrieb Christopher Merret in einem bei der Royal Society eingereichten Schreiben some observations concerning the ordering of wines, in dem er den gezielten Zuckerzusatz erwähnte, der zum Ziel hatte, den Weinen Frische und Perlage zu verleihen. Wesentlich weiterentwickelt wurde die Methode vom Benediktinermönch Dom Pérignon (1638–1715), damals Cellarius der Benediktinerabtei Hautvillers. Auf ihn geht auch die Kunst des Verschnitts und des Weißkelterns roter Traubensorten zurück. Er verschloss seine Flaschen mit einem Korken, der mit Kordeln am Flaschenhals gesichert wurde. Er arbeitete damals mit dem Kellermeister Frère Jean Oudart in Saint-Pierre-aux-Monts zusammen, der als Erster eine Fülldosage eingesetzt haben soll. Die Qualität des entstehenden Weines unterlag jedoch immer noch dem Zufall. Erst durch die Untersuchungen von Louis Pasteur verstand man schließlich die Grundlagen der Gärung.

 

1728 wurde der Transport des Weins in Flaschen offiziell erlaubt, ein Jahr später gründete Nicolas Ruinart das älteste heute noch bestehende Champagnerhaus. Für die Familie Gosset ist zwar bereits 1584 der Handel mit Wein belegt, die Kontinuität aber nicht gesichert. Durch die Handelshäuser (z. B.: Heidsieck, Moët, Perrier-Jouët und Bollinger) kam es zu einer internationalen Vermarktung. Der Wein gewann damit den Ruf, den er heute hat. Im Gegensatz zu vielen anderen Berufszweigen haben Frauen in der Entwicklung des Champagner eine wichtige Rolle gespielt. Bekannt sind heute noch die Namen der Damen Pommery, Perrier und Clicquot.

 

Im Rückblick, notiert von Arno Widmann: 25. Mai 1728: Champagner: Ein königlicher Erlass Ludwigs XV. gestattet den Franzosen, Wein nicht mehr nur in Fässern, sondern auch in Flaschen zu transportieren. Dieser Erlass ist der Startschuss für einen der größten, jetzt fast dreihundert Jahre anhaltenden Exporterfolge Frankreichs. Den Winzern waren die Flaschen zunächst nicht so lieb, aber da der Wein in ihnen weitergärte und die Kundschaft – zunächst vor allem die Engländer – so begeistert von dem sprudelnden Getränk waren, war der Champagner von dem Moment an, da man lernte, die Flaschen sicher zu verschließen, ein Bombengeschäft. Das heute noch existierende Haus Ruinart wurde gleich nach dem Erlass im Jahre 1729 gegründet. Der Gründer, ein Tuchhändler, witterte eine europaweite Chance für den französischen Schaumwein.

 

Bis ins 19. Jahrhundert war Champagner trübe, weil die Hefe der zweiten Gärung in der Flasche verblieb. Dann erfand 1806 Madame Clicquot („Veuve Clicquot”, heute eine Marke des Konzerns Moët Hennessy Louis Vuitton [LVMH]) zusammen mit ihrem deutschstämmigen Kellermeister Antoine Müller und mit Alfred Werlé das Rütteln und Degorgieren. Das erste Rüttelpult soll ein Küchentisch gewesen sein. 1813 wurde diese Technik in André Julliens Manuel du Sommelier erstmals erwähnt. 1884 erfand Raymond Abelé die mit einem Eisbad arbeitende Degorgiermaschine.

 

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Champagner zu einem weltweit verbreiteten Luxusgetränk. 1804 brachte Veuve Clicquot den ersten Rosé-Champagner heraus. Um 1870 wurden die ersten Jahrgangschampagner abgefüllt. Zur Markenbildung trugen die Flaschenetiketten bei, die ab 1830 aufkamen. 1882 wurden 36 Millionen Flaschen erzeugt, von denen drei Viertel exportiert wurden. Nach Großbritannien waren die USA der größte Markt. Dem Aufschwung des 19. Jahrhunderts bereitete jedoch die Reblausinvasion ein Ende. Die Champagne wurde erst relativ spät, um 1895, von ihr erfasst. In der Folge wurden zahlreiche Weinberge aufgelassen. Auch der Rebsortenspiegel veränderte sich zugunsten der heute vorherrschenden Sorten Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay. 1908 wurde der Gebrauch des Namens Champagne per Gesetz auf Weine aus den Départements Marne und Aisne beschränkt. Nach heftigen Protesten erhielten die Winzer des Départements Aube im Jahr 1911 ihre Rechte zurück, was wiederum in der Marne zu Unruhen führte. Als Kompromiss wurde schließlich die Bezeichnung Champagne auf die Marne beschränkt, während die übrigen Gebiete bis 1927 als Champagne Deuxième Zone klassifiziert wurden. Ferner wurden 1911 alle Gemeinden auf einer Prozent-Skala (échelle des crus) eingestuft, auf deren Grundlage fortan die Traubenpreise ermittelt wurden.

 

Kurios ist die Tatsache, dass außerhalb der Champagne auch in der Hauptstadt Luxemburgs echter Champagner hergestellt wurde. Es ist wohl kein Zufall, daß es gerade zu Beginn der legendären Belle Epoque war, als die Compagnie des Grands Vins de Champagne E. Mercier & Cie 1885 beschloß, einen Teil ihrer Champagnerproduktion nach Luxemburg zu verlagern. Dies aus der marktwirtschaftlichen Überlegung heraus, ihrer internationalen Kundschaft im Absatzgebiet des Deutschen Zollvereins jenen Preisvorteil zu verschaffen, der sich aus dem erheblichen Unterschied zwischen den Zollsätzen von Champagner in Fässern und jenen in Flaschen ergab. Wohl in Erinnerung an die luxemburgische Champagnerproduktion ist die Luxemburger Mosel das einzige Weingebiet außerhalb Frankreichs, das die Appellation „Crémant” für Qualitätssekt mit Flaschengärung benutzen darf.

 

Unter dem Ersten Weltkrieg litt die Champagne besonders stark, da sie häufig Schauplatz von Kampfhandlungen war. Dem Champagner brachen zudem mit der Russischen Revolution und der Prohibition in Amerika wichtige Exportmärkte weg. Dem besiegten Deutschland wurde im Friedensvertrag von Versailles der Schutz der Herkunftsbezeichnung Champagner auferlegt (Champagnerparagraph). Von der zugelassenen Rebfläche waren 1927 gerade 9.000 Hektar bestockt. Die Not zwang damals viele Winzer dazu, sich von den großen Häusern zu lösen und eigene Absatzwege zu suchen. So entstanden viele kleine Familienbetriebe, die noch heute existieren. Aus dieser Zeit dürfte auch der traditionell hohe gewerkschaftliche Organisationsgrad der Arbeiter in den Kellereien herrühren – die Champagne ist noch heute eine Bastion der CGT. Erst in den 1930er Jahren brachte ein steigender Absatz im Inland eine wirtschaftliche Erholung.

 

Seit 1936 wird in der Champagne regelmäßig am 22. Januar das Fest des hl. Vinzenz von Valencia, des Patrons der Winzer, gefeiert. Die Verehrung dieses Märtyrers der diokletianischen Christenverfolgung von 304 lässt sich bis in die Epoche der Merowinger zurückverfolgen, damals gefördert durch Childerich I. Seine Eigenschaft als Schutzpatron vieler Kirchen und als Stadtpatron von Gemeinden vor allem in den Weinbaugebieten Burgund und Champagne könnte volksetymologisch zu erklären sein aus der französischen Schreibweise des Namens Vin-cent. Auch heute noch begeht man am 22. Januar den Mittwinter und beginnt mit dem Rebschnitt.

 

Unter der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg wurde das Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne gegründet, das heute als Dachverband die Produktion beaufsichtigt und die Interessen der Erzeuger vertritt. Der zunehmende Wohlstand seit 1945 brachte dem Champagner schließlich einen neuen Aufschwung, der die Produktion auf nie erreichte Höhen führte. 1999 wurde das feste Verfahren zur Ermittlung der Traubenpreise auf Grundlage der Prozent-Einstufung aller Gemeinden außer Kraft gesetzt. Der Übergang in ein neues Jahrtausend brachte 1999 einen Rekordabsatz von 327 Mio. Flaschen Champagner, der erst 2007 mit 338,7 Mio. Flaschen übertroffen wurde. Zur Erweiterung der Anbaufläche wurden in den letzten Jahren auch die nach der Reblauskrise aufgelassenen Weinberge der Côte de Sézanne und bei Vitry-le-François wieder bestockt. Eine Ausweitung des Anbaugebietes auf 357 Gemeinden ist inzwischen beschlossen. 2017 sollen dort die ersten Champagnertrauben gelesen werden.

 

Die Folgen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise bekam auch die Champagne zu spüren: 2008 sank der Absatz um 4,8 % auf 322,5 Millionen Flaschen, 2009 fiel er um weitere 9,1 % auf 293,3 Mio. Flaschen. Als Reaktion auf den Nachfrageeinbruch wurde die zulässige Erntemenge für 2009 auf 9700 kg Trauben je Hektar reduziert.

 

Das Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne hat bei den zuständigen Ministerien in Paris beantragt, die Weinlandschaft des Champagners (Paysages du Champagne) in die Liste des UNESCO-Welterbes aufzunehmen; dadurch soll das einmalige Ensemble verschiedenartiger Weinbauflächen und der in Kreidefels gegrabenen Keller gewürdigt und in seinem Bestand geschützt werden.

 

vgl. Wikipedia